Granada I

 

Samstagabend, Plaza Nueva, Granada. Hier bin ich mit Mamen verabredet, Vermieterin meines Apartments. Mit einer halben Stunde Verspätung kommt sie, Küsschen links, Küsschen rechts, rauscht mit mir in eine kleine enge Seitengasse, schließt die Tür eines Wohnhauses auf, fährt mit mir in den sechsten Stock, erklärt mir alles und verschwindet wieder mit den Worten: „Und vergiss bitte nicht, die Pflanzen zu gießen!“

Alhambra
Alhambra

Der Blick von der Dachterrasse: Ein Traum! Rechts wie eine Primadonna die Alhambra, geradeaus der Berg Sacromonte mit den Höhlenwohnungen der Zigeuner und links der Hügel, auf dem das alte maurische Viertel "Albaicín" angesiedelt ist. Der Himmel wird langsam dunkel, die rote Alhambra erstrahlt im Scheinwerferlicht, das Summen der turbulenten Plaza Nueva und die Gerüche der exotischen Speisen aus den Bars unten rufen mir zu: Endlich angekommen!

 

 

Sprachschüler aus der ganzen Welt

 

Montag. Die Atmosphäre in der Schule ist einmalig, und die Lehrer verfügen über einen ausgesprochen hohen Unterhaltungswert. Die Schüler kommen aus der ganzen Welt: Südafrika, San Francisco, Australien, Mittelamerika, den USA und einigen europäischen Ländern. Die Pause verbringen wir unter duftenden Orangenbäumen in einem kleinen sonnendurchfluteten Garten, erzählen uns, woher wir kommen und wohin wir wollen und verabreden uns für den Abend.

Tablao
Tablao

Der Flamencosänger und sein Gitarrist in dieser winzigen Bar sind ein absoluter Hochgenuss! Dazu plaudern wir alle spanisch miteinander – so gut es eben geht. Englisch wird nur im absoluten Notfall eingesetzt. Das uns verbindende Element ist schließlich, dass wir Spanisch lernen wollen. Wobei ich mit meiner einen Woche Aufenthalt die große Ausnahme bin. Die durchschnittliche Verweildauer der Leute dort beträgt rund vier Wochen, eine Deutsche ist sogar elf Wochen dort – sie hat die Jahresurlaube vom letzten und von diesem Jahr dafür eingesetzt.

 

 

Albaicín und Sacromonte

 

Vom Aussichtspunkt St. Nicolas bietet sich ein sensationeller Blick auf die Alhambra und über den Albaicín. Ich setze mich auf eine Mauer und erledige die Hausaufgaben für den nächsten Tag. Der Platz ist Treffpunkt für bunte Aussteiger, Neo-Hippies, Spontan-Musiker und Kiffer. Einige bieten selbstgefertigten Schmuck an, eine alte Spanierin versucht, Kastagnetten zu verkaufen. Da ihr das ohnehin nicht gelingt, klappert sie kurzerhand bei der Percussion-Improvisation einiger exotisch gekleideter Jugendlicher mit.

 

Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zum Sacromonte, dem Berg mit den auch heute noch aktuellen Höhlenwohnungen. Für mich die geheimnisvollste Ecke von Granada. Man findet dort einerseits Höhlen mit einer vergitterten und mit einem Schloss versehenen Tür davor, andererseits auch Höhlen, die inzwischen schicke Vorbauten sowie Strom- und Wasseranschluss haben. Der Flamenco ist hier entstanden und auch heute noch angesiedelt. Viele touristische Flamencobühnen (tablaos) haben sich in diesen Höhlen etabliert.

Caldaderia
Caldaderia

Die ganze Stadt ist voller Musik. An jeder Straßenecke hört man Flamenco oder arabische Klänge. Der alte maurische Einfluss ist überall noch zu spüren. Morgens auf dem Weg zur Schule steige ich die Caldedería hoch, wo die arabischen Händler ihre Läden aufschließen und mich freundlich grüßen. Mittags, auf dem Weg zurück, herrscht dort buntes Treiben. Farben, Gerüche, Musik und dunkelbraune Augen mit langen seidigen Wimpern entführen mich in eine Illusion aus tausendundeiner Nacht.

 

 

Flamenco

 

Am Abend sind wir auf einer privaten Fiesta einer Flamenco-Lehrerin in eine Höhlenwohnung eingeladen. Sie tanzt vor, begleitet von drei tollen Musikern, darunter ein sensationeller Sänger. In der Pause gibt es Tapas und Sangría. Ich trinke zum ersten Mal Sangría blanca, ein exotisch anmutendes Getränk aus Weißwein, irgendeinem Likör und vielen hellen tropischen Früchten. Wir steigen auf das Dach der Wohnung, und unter uns liegt das Lichtermeer Granadas. "Wow!", sagt einer aus San Francisco, "it’s like San Francisco!"

 

Die Pause ist vorbei. "Wer kann Sevillanas tanzen?", fragt die Flamenco-Lehrerin. Außer mir melden sich noch ein japanisch aussehender junger Mann aus Australien und eine Französin. Während wir zusammen Flamenco tanzen, beschließe ich: "Ich komme wieder! Und zwar für länger!"